Das Konzil der Gewissensentdeckung und breiten Verbundenheit
Wer am 8. Dezember 2025 auf den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor sechzig Jahren zurückschaut, sieht den Durchbruch dessen, was heute selbstverständlich ist und wieder gefährdet: die unteilbaren Menschenrechte und die Menschenwürde, die Gewissens- und Religionsfreiheit, die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger. Eine Wieder-Erinnerung an den Geist der Freiheit und Verantwortung spornt uns heute an, nicht in alte patriarchale und klerikale Muster zurückzufallen. Der absolute Gehorsam ist ersetzt durch das gebildete Gewissen. Die Religionsfreiheit garantiert ein geschwisterliches Miteinander der Religionen und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz garantiert eine demokratische Entwicklung als Staatsform. Staatlich garantierte Religionsfreiheit ermutigt Glaubensgemeinschaften, Glaube und Freiheit als zwei Seiten eines Vollzugs zu begreifen.
Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit sind für die Konzilsväter (ja, es waren nur Männer) die zentralen Grundlagen gelingenden Zusammenlebens. Deshalb tritt die Kirche ab damals für Glaubens- und Gewissensfreiheit aller Menschen ein, nicht nur für das eigene Klientel. Und so hat sich die Kirche selber in den letzten Jahren zur Anwältin der Religions- und Gewissensfreit entwickelt und ihre Stimme ist heute bei allen gesellschaftlichen Verwerfungen und autokratischen Erscheinungen wichtiger denn je.
Als Katholische Aktion und Bewegung im Sinne eines Apostolats aller Getauften, der gemeinsamen Verantwortung als Volk Gottes, sehen wir uns ermutigt, die Fortführung des Konzils vor allem im synodalen Prozess wieder aufleben zu lassen. Synodalität ist die prägende Grundstruktur einer zukünftigen Kirche in dieser Welt.
War vor 60 Jahren die Geschlechterfrage noch nicht so erkannt, so sehen wir im Sinne einer Synodalität auf Augenhöhe die Geschlechtergerechtigkeit als zentral an. Glaubwürdigkeit und Relevanz werden durch die Verwehrung des „geweihten Amtes“ gegenüber Frauen tief in Frage gestellt. Gerade in diesem Fall kann die Welt, die menschrechtsbasierten liberalen Verfassungen ein Vorbild sein. Johann Baptist Metz hat von einer „Verweltlichung“ der Kirche gesprochen. Nicht erst heute müssen wir begreifen, dass Kirche von der Welt lernen kann und muss, weil sich das Evangelium darin inkarniert hat und täglich tut. Als Katholische Aktion bauen wir auf alle weltlichen Erkenntnisse, die zu mehr Gerechtigkeit, Frieden, Fairness und geschwisterlicher Synodalität beitragen. Wir sind hellwach gegenüber rechtspopulistischen und neo-integralistischen Strömungen, die das Rad der Zeit weit zurückdrehen und Menschen in Abhängigkeit – in eine neue Form des „Gehorsams“ - führen wollen. Es braucht heute mehr denn je in neuer Art und Weise diesen Geist der Freiheit und der synodalen Verbundenheit, wie in das II. Vatikanische Konzil gewiesen hat, in der Welt und genauso in der Kirche.
(rp/8.12.2025)
