„Wesentlich ist, in der Spur Jesu zu bleiben“
Die Presse: Im Zusammenhang mit Kirche wird in der Öffentlichkeit meist ausschließlich über Reformen oder Nichtreformen gesprochen, über den Kirchenkurs, über den Glauben selbst wenig. Finden Sie das als Präsident der Katholischen Aktion Österreich nicht schade?
Ferdinand Kaineder: Es braucht beides. Sowohl das strukturelle Betrachten der Kirche als vor allem auch den Inhalt unseres Glaubens. Ich bin ja sehr froh, nachdem wir jetzt auf Ostern zugehen, dass das eine gute Gelegenheit ist, die Inhalte, also die Kerninhalte unseres christlichen Glaubens zu artikulieren. Nicht nur zu besprechen, sondern auch zu befeiern, zu betrachten, zu begehen und sozusagen als Lebensausdruck zu tun.
Die Presse: Aber das passiert immer seltener. Die Zahl der Kirchbesucher geht ja immer mehr zurück.
Kaineder: Ja, das stimmt. Also die, die wirklich im Kirchengebäude sich einfinden, die werden vielleicht dort und da weniger. Gerade die hohen Feiertage, Weihnachten, Ostern, Pfingsten sind schon sehr, sehr gut besucht zum Großteil. Ich nehme auch wahr, dass das Thema des Glaubens öffentlich, medial präsent gehalten wird. Und deswegen haben Leute sozusagen haptisch das Bedürfnis, das zu erleben, gemeinsam zu singen, sich zu treffen, zu feiern.
Die Presse: Aber laut Umfragen glauben zwei Drittel der Österreicher nicht an die Auferstehung Jesu Christi. Da ist die zentrale Botschaft von Ostern. Ist das jemals wieder reversibel zu machen? Hat da die Kirche nicht versagt?
Kaineder: Aber woran die meisten Leute schon festhalten, das ist die Hoffnung, dass der Mensch eigentlich über sich hinaus geht. Was wir mit der Auferstehung sozusagen auch begreifen müssen. Für mich zeigt die Karwoche ja eine unglaublich schöne Dramatik des Lebens. Diese Begeisterung für einen Menschen, der für Inklusion, für das Heilen, das Zuhören oder auch die bildhafte Sprache gestanden ist. Und dann dieses Drama des Sterbens, dass ein Mensch, der wirklich für Gerechtigkeit, Fairness, Liebe, Menschenachtung steht, stirbt. Die Osternacht ist im Grunde so etwas wie die Aufrichtung des Lebens, oder die Erweckung zum Leben.
Die Presse: Was ist für Sie persönlich das Wichtigste am Osterfest?
Kaineder: Für mich persönlich ist das Wichtigste diese Person Jesu, die sich ganz und klar eingelassen hat auf die Menschen. Und ich glaube, er hat uns eine tiefe Frage damit hinterlassen: Wie kommt mehr Liebe in diese Welt? Das ist für mich Ostern: Dort, wo Liebe ist, dort ist Auferstehung.
Die Presse: Trotzdem, nochmals, wird die Kirche nicht als Institution
wahrgenommen, die sich mit Glaubens- oder Sinnfragen beschäftigt, sondern eher mit Strukturfragen, internen Fragen. Wird das dem eigentlichen Auftrag gerecht?
Kaineder: Eine Selbstbeschäftigung ist aus meiner Sicht nicht zielführend. Zielführend ist, in dieser Spur Jesu zu bleiben. Es war und ist immer das Tun mit den Menschen im Vordergrund. Die Wahrnehmung, dass wir uns mit uns selber beschäftigen, entspricht nicht ganz dem, was sozusagen das Lebewesen Katholische Aktion betreibt. Weil ein paar Kirchenreformen anstehen, ist der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung eher darauf gerichtet. Aber prinzipiell geht es um das ganz praktische Jesuanische, das christliche Leben zusammen, anderen zu helfen, zuhören usw. Was wir tun, Tag für Tag.
Die Presse: Und warum gelingt es nicht, das außerhalb der Kirchenräume mehr deutlich zu machen, beispielsweise mit öffentlichen Veranstaltungen, mit einem Katholikentag oder Glaubensfest?
Kaineder: Die Frage ist ja, ob das dem entspricht, was Jesus gemacht hat. Jesus hat nicht Katholikentage veranstaltet, sondern in einer intensiven Begegnung und Hinwendung zu den Menschen ist das vor sich gegangen, was Kirche ist. Der große Paukenschlag eines Katholikentags ist jetzt in dieser Konstellation nicht wirklich möglich.
Die Presse: Was heißt in dieser Konstellation?
Kaineder: Diese ganz großen Bewegungen aus dem kirchlichen institutionellen Milieu sind heute nicht machbar. Wir als Katholische Aktion beteiligen uns, lassen uns auch inspirieren, wo Menschen gemeinsam so wie bei der sozial-ökologisch-spirituellen Transformation gehen, wo es darum geht, der Demokratie wieder ein sehr menschliches und liberal verfasstes demokratisches Gesicht zu geben. Was wir wollen ist, dass wir diesem jesuanisch-christlichen Leben in unserer Gesellschaft sozusagen immer wieder Gesichter geben.
Die Presse: Was ist das Spezielle an diesem Jesuanischen?
Kaineder: Das Zentrale ist das Geöffnet-Sein. Geöffnet, dass uns das Geheimnis des Lebens, wir nennen es Gott oder Vater, Mutter und Himmel, begegnen und entgegenkommen kann.
Die Presse: Jetzt kommen wir doch noch zum Strukturellen. Vor wenigen Tagen sind einige besonders strittige Themen wie Diakoninnen oder verheiratete Priester von Papst Franziskus von der Weltsynode ausgeschlossen und in Expertengruppen delegiert worden. Sind Sie darüber enttäuscht?
Kaineder: Da bin ich etwas verwundert...
Die Presse: Verwundert oder enttäuscht?
Kaineder: Auch enttäuscht.
Die Presse: Hat Papst Franziskus Angst vor der eigenen Courage bekommen?
Kaineder: Ich glaube, dass im Vatikan sehr Konservative mehr Einfluss gewinnen.
Die Presse: Vielleicht ist der Papst gar nicht so reforminteressiert, wie er nach außen scheint?
Kaineder: Die tiefste Reform, die der Papst eingeleitet hat, war ja nicht sofort die Ämterfrage aufzumachen, sondern diesen wirklich breiten Raum der gemeinsamen Beratung, wo alle Fragen der Zeit Platz haben.
Die Presse: Welchen Sinn hat diese Weltsynode, wenn viele wichtigen Fragen herausgenommen sind?
Kaineder: Ich bin ein heilloser Optimist. Ich hoffe auf Überraschungen, die im Herbst passieren können bei der Bischofs-Synode.
Das Interview führte Dietmar Neuwirth.
Interview in Printausgabe "Die Presse"
(jp/30.3.2024)