Experten: Katholische Soziallehre gerade in Pandemie hochaktuell
Die Bedeutung der Katholischen Soziallehre als Fundament des Einsatzes für Gemeinwohl und Gerechtigkeit in der Gesellschaft betonen Christgewerkschaft FCG und Katholische ArbeitnehmerInnen Bewegung (KAB). Gerade die "stürmische" Corona-Zeit beweise, dass die Werte der Soziallehre "brandaktuell" sind und Orientierung in von der Pandemie ausgelösten oder beschleunigten radikalen Veränderungen in Lebens- und Arbeitswelt bieten können, so FCG-Generalsekretär Andreas Gjecaj. Die Pandemie befördere Ungleichheit in Österreich und weltweit, und habe zu Rissen in der Gesellschaft geführt, hält KAB-Bundesvorsitzende Anna Wall-Strasser fest: "Dagegen braucht es eine klare Analyse und Kritik des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, das Ungleichheit fördert."
Ziel müsse sein, Märkte zu regulieren, Reichtum umzuverteilen und politische Maßnahmen zu setzen, "die allen Menschen materielle Grundsicherung und aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen", so die KAB-Vorsitzende. "Wir wollen einen Fortschritt im Sozialen. Es geht nicht nur darum, Abstiege zu verhindern, sondern es geht letztlich um eine Vision eines Sozialen, in der Menschen wirklich geschwisterlich zusammenleben und alle gut leben können."
Wall-Strasser und Gjecaj äußerten sich anlässlich des 130. Jahrestags (15. Mai) der Veröffentlichung der Sozialenzyklika "Rerum novarum" von Papst Leo XIII. zum Abschluss einer digitalen Festveranstaltung am Mittwochnachmittag in Wien. Organisiert von FCG, KAB und Katholischer Sozialakademie Österreichs (ksoe) befassten sich Expertinnen und Experten nach dem Dreischritt Sehen-Urteilen-Handeln mit der Arbeits- und Lebenswelt am Beginn des 21. Jahrhunderts im Licht der Soziallehre und zeigten "Perspektiven für eine lebenswerte Arbeitswelt" auf.
Gjecaj bezeichnete dabei aus Sicht der Christgewerkschaft die Prinzipien der Soziallehre als "Credo für eine gerechte und lebenswerte Arbeitswelt". Menschenwürdige Arbeitsbedingungen, ein Miteinander von Alt und Jung und der gesellschaftliche Zusammenhalt seien Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft.
KAB-Vorsitzende Wall-Strasser verwies konkret auch auf die enorme Arbeitsbelastung von Beschäftigten in Pflege- und Sozialberufen sowie eine ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Sorgearbeit. Insgesamt "rückt Armut mehr und mehr in die Mitte der Gesellschaft, und das muss uns massiv alarmieren als Christen, die sich der Katholischen Soziallehre verpflichtet sehen", sagte die Spitzenvertreterin der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung Österreichs.
Mit Blick auf die notwendigen finanziellen Mittel zur Vermeidung von Armut und Ausgrenzung erneuerte Wall-Strasser die Forderung nach höheren Steuern auf Finanzvermögen, konkret auf Finanztransaktionen und Vermögen insgesamt, sowie eine Entlastung des Faktors Arbeit. Eine verstärkte Diskussion ist aus ihrer Sicht auch bei Konzepten für ein Grundeinkommen oder eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit nötig.
Katholische Soziallehre habe dann einen Stellenwert, "wenn sie wirkt", betonte Wall-Strasser. "Was ist heute unsere Verantwortung für eine gerechte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung", sei daher die zentrale Frage, mit der man sich auseinandersetzen müsse.
Pandemie als "sozialer Brandbeschleuniger"
Hauptreferent der Festveranstaltung war zuvor der Politologe Helmut P. Gaisbauer. Eine gute Gesellschaft für alle bedeute, "jedem Menschen eine menschenwürdige Existenz, ein Leben in Würde zu ermöglichen", sagte der Experte des Zentrums für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg. Davon sei man weit entfernt. "Die Pandemie droht als sozialer Brandbeschleuniger zu wirken", warnte Gaisbauer und warb für eine "starke Stimme für ein solidarisches Gegensteuern".
Alle Impulsreferate der Veranstaltung, darunter jene von ksoe-Direktor Markus Schlagnitweit oder ÖGB-Sozialethik-Expertin Karin Petter-Trausznitz, stehen Interessierten unter www.soziallehre.at zur Verfügung. In Kürze soll es dort auch die Möglichkeit zum Nachsehen des live gestreamten Nachmittags unter dem Leitwort "Die soziale Frage heute: Navigieren in stürmischen Zeiten - welche Orientierung bietet die Katholische Soziallehre?" geben. (13.5.; Quelle: Kathpress)