
Mit Tränen und Gebeten: Latinos in Wien begrüßen "Papa León"
Mittagszeit am zweiten Maisonntag in Wien-Ottakring: Musik, Lachen, Gratulationen und Umarmungen erfüllen die große Eingangshalle der Pfarre Maria Namen, wo Lateinamerikaner gerade Gottesdienst gefeiert und allen anwesenden Müttern zum Muttertag das Glückwunschlied "Las Mañanitas" gesungen haben. Auch ein zweites Ereignis sorgt für freudige Gespräche: Zum ersten Mal wurde im Hochgebet der Messe für "Papa León" gebetet. Ein großes Foto des gerade erst gewählten Kirchenoberhaupts hängt auch bereits an der Pinnwand und grüßt die Pfarrmitglieder - die den Papst als einen der "Ihren" feiern.
Die "Comunidad hispanohablante", eine der drei Latino-Gemeinden Wiens, ist ein Abbild der katholischen Weltkirche. Über 20 Herkunftsnationen findet man hier. Das Andenland Peru, wo Robert Prevost mehr als drei Jahrzehnte als Missionar und Bischof wirkte, ist durch Maria Julia vertreten. Für die UNO-Mitarbeiterin sitzt mit Leo XIV. erneut ein Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri - zumindest einer, der es "im Herzen" geblieben ist: "Als sich der heutige Papst aus seiner Diözese in Richtung Rom verabschiedete, sagte er: Chiclayo bekommt nun einen Ort im Vatikan, denn ich nehme euch dorthin mit", erinnert sie sich.
Trotz seiner Herkunft aus den USA wird Papst Leo auch weiterhin die Werte Südamerikas hochhalten, ist sich die Peruanerin sicher, wie etwa "die Fröhlichkeit und Lebensfreude trotz schwieriger Umstände, den Familiensinn mit viel Einheit unter den Generationen, und den Glauben, der in Europa schon so abgekühlt ist. Europa hat uns früher den Glauben gebracht, nun müssen wir das Empfangene zurückgeben." Leo verkörpere all dies - und sei zudem "wie Franziskus ein Hirte, der den Geruch der Schafe kennt, viel Erfahrung hat, theologisch sehr gebildet ist und die Einheit fördern will".
Auch Fernando, ein in Wien tätiger Sänger aus El Salvador, mag "Papa Leon" auf Anhieb, "obwohl er 'Gringo' ist und ich noch nicht viel von ihm weiß". Mitbekommen über den neuen Pontifex hat der 32-Jährige vor allem in einer Latino-Fußballgruppe, in der viele Peruaner mitspielen - "seit der Wahl kursieren Videos, Witze und Memes über ihn". Sein erster Eindruck ist, "dass er wie Franziskus ein sehr menschlicher Papst ist - einer mit Gefühl und Empathie. Er wird diese Linie hoffentlich weiterführen."
Bewegende Balkonszene
Noch immer wirken die Szenen drei Tage zuvor nach, die von vielen aus der Gemeinde live am Bildschirm miterlebt wurden. Für Valeria aus Mexiko war die Papstwahl "ein Neuanfang, fast wie Auferstehung: Mir kamen Freudentränen, als ich ihn am Balkon sah. So viel Frieden, so viel Ruhe. Es wirkte, als hätte Gott selbst ihn gerufen." Der Pontifex selbst habe bei dieser Szene eine tiefmenschliche Bewegung gezeigt, so die Wissenschaftlerin: "Das war eine sehr schöne Reaktion von ihm, die mir Hoffnung gibt, dass er sich von Gott leiten lässt."
Dem stimmt auch der Priester Marcos Rios zu, der eben als Ersatz für den heute terminlich verhinderten Pfarrer Jesus David Jaen Villalobos die Messfeier geleitet hat. Erst 33 Jahre jung, stammt er aus dem US-Bundesstaat Texas, ist Kind mexikanischer Eltern. Auch den Priester rührten die "Habemus Papam"-Momente tief: "Leos Tränen waren echt. Ich habe dasselbe gespürt, als ich vor drei Jahren selbst zum Priester geweiht wurde: Man ist überwältigt, fühlt sich unwürdig. Aber man sagt: Ja, Herr, ich bin bereit." Die Wahl seines "neuen Chefs", wie er sagt, deute er ebenso wie die Umstände des Todes von Papst Franziskus als "Zeichen von Gott, dass er weiter in der Kirche gegenwärtig ist und handelt".
"Nicht der erste Amerikaner"
Momentan nimmt Rios in Österreich eine abwartende Haltung gegenüber dem Papst wahr. "Man kennt ihn noch nicht und ist neugierig darauf, wie er sein wird - setzt jedoch große Hoffnungen in ihn." Dass mit einem US-Amerikaner ein Landsmann von ihm an der Kirchenspitze steht, freut den Priester besonders. "Natürlich identifiziert man sich stark mit jemandem, der denselben Hintergrund hat." Dass der neue Papst aus einem Land komme, das kulturell und politisch großen Einfluss habe, könne ein Vorteil sein - "und dass er auch die Kirche Lateinamerikas kennt. Denn dort lebt der Glaube noch, wovon Europa viel lernen kann."
Bei manchen Gläubigen ist das mit der Herkunft jedoch ein rotes Tuch. Jose aus Nicaragua ärgert sich sichtlich, dass in einer Zeitung die Schlagzeile "der erste amerikanische Papst" gefunden hat. "Es ist nicht der erste amerikanische Papst! Franziskus war auch Amerikaner - Südamerikaner! Es ist Zeit, dass wir auch sprachlich umdenken", fordert er. Kritik äußert der Bautechniker auch an der politischen Realität in seiner Heimat: Die Papstwahl sei dort von den Medien komplett verschwiegen worden, und just zum Zeitpunkt des weißen Rauchs im Vatikan fiel in Teilen des Landes der Strom aus - was er als "gezielte Sabotage des Regimes" deutet. Für Nicaraguas verfolgte Kirche sei der "Friedenspapst" Leo jedoch eine Hoffnung, "dass nicht vergessen wird, was bei uns geschieht".
Viele aus der Latino-Gemeinde haben die Papstwahl außer mit Hoffnungen auch mit Gebeten begleitet, darunter Maria del Carmen aus El Salvador. "Ich habe täglich den Rosenkranz gebetet - zunächst für Franziskus nach dessen Tod, dass er in Frieden ruhen darf und für uns Fürsprache halten kann, dann für das Konklave um einen guten und heiligen Papst. Ich glaube, die ganze Kirche auf der Welt hat gebetet - und Gott hat uns erhört. Jetzt bete ich für Leo, dass Gott ihn erleuchtet, damit er die Priester und auch uns alle auf gutem Weg führt und uns den Glauben zeigt."
Quelle: kathpress